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« Macht eine Verpflichtung zum Spaziergang wirklich Sinn? »
Julia Klöckners Entwurf zur Gassi-Pflicht sorgte für Häme im Netz, wobei vor allem Hundehalter sich kritisch äußerten. Auch Tierschutzverbände sprechen sich nicht eindeutig für eine solche Verordnung aus, denn viele Experten wünschen sich stattdessen einen verpflichtenden Hundeführerschein.
Julia Klöckner verordnet Gassi-Pflicht?
Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat einen Entwurf zur Änderung der Tierschutz-Hundeverordnung herausgebracht, der im Jahr 2021 in Kraft treten soll. Neben Änderungen zum Transport von Nutztieren geht es in diesem Entwurf vor allem um die artgerechte Hundehaltung. Denn Julia Klöckner möchte Besitzer von Hunden unter anderem dazu verpflichten, ihren Haustieren ausreichend Auslauf zu gewährleisten. Genauer gesagt, sollen Hundehalter dazu verpflichtet werden, ihre Tiere mindestens zwei Mal täglich für jeweils 30 Minuten Auslauf zu bieten. Begründet wird dies mit „neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bedürfnisse von Hunden“. Auf den ersten Blick erscheint dieser Entwurf durchaus sinnvoll, doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass diese Verordnung nicht zur Gänze umsetzbar ist. Im Zuge der Debatte kommt auch wieder ein Thema auf, das auch früher immer wieder mal im Gespräch war: der Hundeführerschein.
Vor- und Nachteile der Gassi-Pflicht
Im Idealfall informieren sich Hundehalter vor der Anschaffung eines Hundes über die artgerechte Hundehaltung und Erziehung. Dennoch gibt es immer wieder einige schwarze Schafe unter ihnen, die ihren Vierbeinern zu wenig Auslauf ermöglichen. Eine Gassi-Pflicht hat somit durchaus ihre Berechtigung – zumindest in der Theorie. Bei genauerer Betrachtung wird aber klar, dass eine solch klar definierte Zeitangabe nur bedingt Sinn macht. Ja, jedes Tier braucht genügend Auslauf.
Doch wie viel bzw. wie lange das ist, hängt vom jeweiligen Tier durchaus auch individuell ab. Chronisch kranke und/oder alte Fellnasen möchten vielleicht gar nicht eine halbe Stunde am Stück spazieren gehen. Wohingegen einige Hunderassen, wie beispielsweise Jagd- und Schlittenhunde in der Regel deutlich mehr Bewegung benötigen und meist länger als eine Stunde täglich körperlich aktiv sein möchten und dies auch sollten. Eine artgerechte Hundehaltung setzt nicht nur das Erfüllen der Grundbedürfnisse voraus, sondern auch das Verständnis der Hundebesitzer, die Erziehung und Haltung an das jeweilige Haustier anzupassen.
Viele Experten sprechen sich für einen Hundeführerschein aus
Im Netz wurde die Gassi-Pflicht hämisch diskutiert und auch Experten und Tierschutzverbände haben ihre Meinung hierzu geäußert. Allen voran stellt sich natürlich die Frage, wie eine solche Verordnung überhaupt kontrolliert werden solle. Immerhin leben Schätzungen zufolge über 10 Millionen Hunde in deutschen Haushalten. Die Sprecherin der Ministerin meint hierzu, dass die Behörden der Länder dafür zuständig seien. Allerdings gehe man davon aus, dass diese nicht „aktiv“ kontrollieren, sondern auf Anzeigen von den Mitbürgern reagiere würden. Während es durchaus Befürworter dieser Gassi-Pflicht gibt, wie beispielsweise das Gesundheitsressort für Tierschutz, das im Land Bremen tätig ist, gibt es auch zahlreiche Experten, die sich nicht eindeutig für die Verordnung aussprechen. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, betont, dass neben einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht vor allem ein vorgeschriebener Sachkundenachweis für Hundehalter wichtig seien. Die notwendige Sachkunde können Tierhalter bereits heutzutage nachweisen, indem sie einen Hundeführerschein machen.
Was ist ein Hundeführerschein?
Ob Herrchen und Frauchen mit der artgerechten Erziehung und tiergerechten Ausbildung von Hunden vertraut sind, können sie mit einem Hundeführschein bescheinigen. Um diesen zu erhalten, müssen die Halter eine Prüfung bestehen, die aus Theorie und Praxis besteht. Der theoretische Teil umfasst etwa 30 bis 40 Fragen rund um die Themen Hundeerziehung, -verhalten und -haltung. Sofern sie diesen bestanden haben, können sie im nächsten Schritt zur praktischen Prüfung antreten. Hierbei geht es aber weniger um die Leistung des Tieres, sondern um die Art und Weise, wie der Mensch in bestimmten Situationen reagiert. Ziel ist es, dass er den Hund einschätzen und gefährliche Situationen erkennen und im besten Fall sogar vorbeugen kann.
Ist der Schein in Deutschland vorgeschrieben?
In Deutschland gibt es zum jetzigen Zeitpunkt mit Niedersachsen nur ein Bundesland, in dem der Hundeführerschein gesetzlich vorgeschrieben ist. Denn dort herrscht seit Juli 2013 die Hundeführerschein-Pflicht für alle Hundehalter, die sich nach dem 1. Juli 2011 einen Hund angeschafft haben – unabhängig von der jeweiligen Rasse. Anders verhält es sich hingegen beispielsweise in Bremen, denn dort gilt diese Verpflichtung nur für Besitzer von Listenhunden, welche mit der Begründung der Gefahrenabwehr eingeführt worden ist. Diese erlaubt es den Bundesländern, entsprechende Verordnungen zu beschließen – wie eben den vorgeschriebenen Sachkundennachweis für den Hund, wenn dieser zu den „Kampfhunden“ zählt. Möchte man einen verpflichtenden Hundeführerschein in Deutschland jedoch mit dem Tierschutz begründen, muss dies auf Bundesebene entschieden werden. Allerdings ist es möglich, den Sachkundenachweis für den Hund auf freiwilliger Basis zu erbringen.
Hundeführerschein freiwillig machen?
In Deutschland ist es möglich, den Sachkundenachweis freiwillig zu absolvieren. Die Kosten, welche bei rund 80 bis 130 Euro liegen, müssen selbst bezahlt werden. Allerdings fördern viele Gemeinden den freiwilligen Test mit Steuervergünstigungen, die als Anreiz dienen sollen. Doch der Hundeführerschein ist generell sehr empfehlenswert, vor allem für erstmalige Hundebesitzer. Immerhin sind die Hundeerziehung sowie eine artgerechte Hundehaltung nicht zu unterschätzen. Deshalb bieten auch zahlreiche Hundeschulen Kurse an, die Halter optimal auf den Test vorbereiten.
Selbstverständlich können und sollten Sie auch zuhause mit Ihrem tierischen Freund üben. Neben den Grundkommandos sind hierbei vor allem die Leinenführigkeit, aber auch das Meistern von Alltagssituationen, wie zum Beispiel der Kontakt mit Passanten oder Artgenossen, wichtig. Im Prinzip können Sie jede Gelegenheit nutzen, um mit Ihrem Haustier zu üben. Um das gewünschte Verhalten zu fördern, lohnt es sich, den Vierbeiner ausgiebig zu loben und zu belohnen. Kausnacks und Leckerlis eignen sich hervorragend als Belohnung, denn sie dienen als positive Verstärkung und spornen Ihre Fellnase zusätzlich an.